Das Buch In The Shallows - Liebe tut weh von Tanya Byrne auf dem Mischpult von Radio Darmstadt

In the Shallows – Liebe tut weh ist der 486 Seiten-lange Liebesroman von der in #BookTok bekannten Autorin Tanya Byrne. Für das deutschsprachige Publikum hat sich Stefanie Frida Lemke an die Übersetzung der lesbischen Coming-of-Age Geschichte gemacht. In In the Shallows geht es mitnichten um „Mädchen trifft Mädchen. Mädchen verliert Mädchen. Mädchen bekommt Mädchen zurück.“ Das verspricht der Klappentext.

In The Shallows: Auch Mädchen heißen Nico

Die Geschichte von In the Shallows spielt in Brighton im Vereinigten Königreich über eine Dauer von etwa einem Jahr. Übrigens, in Brighton lebt auch die Autorin Tanya Byrne mit ihrer Hündin Frida. Dort betreiben Mads und Vas ein Café. Mara agiert als Ich-Erzählerin, die als Besonderheit die unsichtbare Wand zu uns Leser:innen durchbricht, indem sie sich fragt, ob sie denn ihre Geschichte der ganzen Welt erzählen müsse. Dabei schildert uns Mara ihr Erlebtes, Gedanken und Gefühle aus der Retrospektive.

Es gibt aber noch einen zweiten wichtigen Charakter in der Geschichte. Das ist die anfangs 15-jährige Nico Rudolph. Die Südkoreanerin lebt bei ihrer Mutter Rebecca. Ihr Vater ist mit 33-Jahren bei einem Flugzeugunglück gestorben. Mit dem Umzug nach Brighton muss Nico ihren Freundeskreis verlassen und der Kontakt zur weiteren Familie scheint nicht mehr so einfach.

Mara stößt das erste Mal auf Nico als sie in schwarz gekleidet am Bahnhof singt und Gitarre spielt. Obwohl Nico es ihr nicht einfach macht, wird aus dieser Begegnung mehr. Ob es eine Freundschaft oder mehr ist, ist für uns Leser:innen schwierig zu beurteilen. Für Mara ein eindeutiges Ja, aber dafür geht Nico zu oft auf Distanz: Teilweise muss ihr jedes einzelne Wort aus der Nase gezogen werden, nach manchen Fragen muss sie urplötzlich wieder los oder sagt spontan ab und erscheint erst gar nicht.

Trennung an Silvester statt gemeinsames Feuerwerk-schauen

So auch in der Silvester-Nacht, die den Wendepunkt von In the Shallows bildet. Eigentlich sollte Mara noch die Person sein, die Nico als letztes im alten Jahr und als erstes im neuen Jahr sieht. Dafür haben sich die beiden an „ihrer“ Bank im Park verabredet. Mara verzichtet auf den Jahreswechsel mit ihren Freundinnen und ihrer besten Freundin Michelle Chen. Michelle und Mara sind wie Pech und Schwefel, ein Herz und eine Seele, ein Kopp und nen Arsch. Das geht so weit, dass Michelle oftmals das besser in Worte fassen kann, was Mara fühlt. Letztendlich ist sie auch die Person, die in der Silvester-Nacht an die Parkbank zu Mara kommt nachdem Nico per Textnachricht abgesagt und die Beziehung beendet hat.

Der nächste Schock lässt nicht lange auf sich warten. In den Nachrichten wird vom einer Jugendlichen berichtet, die ins Meer gefallen und von Fischern gerettet worden sei. Noch schlimmer: Das Mädchen kann sich an nichts erinnern. Weder was passiert sei, was davor geschehen ist, noch wer sie ist. In den Fernsehnachrichten wird die Bevölkerung um Mithilfe gebeten. Als das Bild eingeblendet wird, erkennen Michelle, Mara und ihre Eltern Nico sofort wieder. Mara meldet sich bei der Polizei, aber als „Fremde“ kommt sie nicht in Nicos Krankenhauszimmer.

In the Shallows: Die zweite erste Begegnung

Nach Wochen begegnen sich die beiden dann doch wieder; zufällig. Mara findet auf dem Tisch in einem Café ein fremdes Notizbuch. Wie sich herausstellt, das von Nico, die vor ihr steht. Nur ist Nico in ihrem ganzen Sein völlig anders und erkennt Mara nicht. Dennoch freunden sich die beiden wieder an. Das erfährt Nicos Mutter und verbietet Mara über die gemeinsame Vergangenheit mit Nico zu sprechen, um den Heilungsprozess nicht zu gefährden. Mara steckt nun in einem Dilemma: Soll sie Nico wirklich nichts erzählen? Tut sie sich selbst einen Gefallen, wenn sie sich wieder auf eine Person einlässt, die einen eigentlich schon gekorbt hat, aber nichts mehr davon weiß? Ist es erstrebenswert sich die Partnerperson quasi nach Belieben formen zu können? Und nicht zuletzt: Was, wenn sich Nico wieder an die Zeit davor erinnert?

Wie die Protagonistin die Antworten auf die Fragen am eigenen Leib erlebt und, ob sich Nico an das Davor erinnern kann, verrate ich nicht. Das sollt ihr selbst herausfinden, wenn ihr das Buch lest.

Fazit: Querness der Protagonisten Beiläufigkeit statt tragende Wand

Seit Release im Herbst 2024 beim Verlag Fischer-Sauerländer stand In the Shallows – Liebe tut weh von der queeren Autorin Tanya Byrne bei mir im Bücherregal. Allerdings sollte es bis zum Sommerurlaub dauern, dass ich a) wieder ein Buch lese und b) mich für diese Geschichte entscheide. Rückblickend war das eine gute Entscheidung, denn mit dem Lesen war ich am letzten Urlaubstag fertig. Außerdem wird hier wie vom Klappentext versprochen, eine andere queere Geschichte erzählt.

Die gleichgeschlechtliche Liebe zwischen der Protagonistin Mara und Nico wird nicht zum Selbstzweck, sondern fließt subtil in die Erwähnung von Gedanken und Emotionen mit ein. Wer stattdessen auf die unverblümte Detailbeschreibung von Körperlichkeit aus ist, wird weitersuchen müssen. Sonst wäre das empfohlene Lesealter ab 14 Jahren nicht mehr zu rechtfertigen.

Für knapp unter 15 Euro, die das Buch im Buchladen um die Ecke kostet, hatte ich gute Lesestunden. Bis zu dem schicksalhaften Ereignis, dass Nico aus dem Wasser gerettet wurde und ein paar Seiten noch danach war es phasenweise etwas zäh. Hier hat mir der Buchrückentext für meinen Geschmack zu viel verraten bei einer Stelle, die im Buch selbst so spät erst stattfindet. Nichtsdestotrotz habe ich alles gelesen und danach wurde ich auch nicht mehr enttäuscht.

*Die Buchrezension In the shallows – Liebe tut weh habe ich für Ganz schön queer bei Radio Darmstadt geschrieben. Du kannst die Sendung noch bis Montag, 08. September 2025 in der RadaR+7 Mediathek anhören.

© Leon Ebersmann

Von Leon

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