Montag, 13. November 2023, 16:00 Uhr, Nachrichten bei 1LIVE: „Fast jeder Dritte wurde offenbar schonmal gehackt.“ Cyberangriffe auf Deutschlands Unternehmen, Universitäten und Kommunen scheinen Alltag geworden zu sein; zuletzt durch den Ransomware-Angriff auf den IT-Dienstleister Südwestfalen-IT, womit schlagartig bis zu 103 Kommunen handlungsunfähig wurden.
Inhaltsverzeichnis
Gehackte Privatpersonen?!
Aber gehackte Privatpersonen? Fast jeder Dritte? Bin vielleicht ich, mein Partner, mein Nachbar jeder Dritte? Ein grandioses News-Teasing, das die Aufmerksamkeit von professionellen IT-Laien sicher hatte; wenn 1LIVE nur keine falschen Erwartungen geschürt hätte und Informationen besitzt, die nicht einmal die Website der Quelle kennt.
Eine Online-Umfrage als Grundlage
Anlass der Meldung ist eine über die Sommer-Monate hinweg durchgeführte repräsentative Online-Umfrage; in Auftrag gegeben von der Verbraucherzentrale NRW. Der Fokus lag auf Online-Accounts aus verschiedenen Bereichen – Social Media, E-Mail, Online-Shopping, Finanzen -, gute und einmalige Passwörter sowie die Hilfe der Plattformbetreiber im Ernstfall. Der Beginn der tatsächlichen Radio-Meldung bringt das Thema der Studie auf den Punkt: Passwortsicherheit.
Allerdings ist Hacking aus dem News-Teaser zu viel Lob. Eher treiben Cracker oder abwertend Scriptkiddies ihr Unwesen. Hacking ist gleichermaßen faszinierend und angsteinflößend. Bloß hier ist es fehl am Platz wie auch der Gedanke, dass Hacker jungfräuliche Menschen Anfang 30 sind, die in ihrem Kinderzimmer im dunklen Keller mit schwarzem Hoodie und ausschließlich Junk-Food essend vor dem PC sitzen.
WLAN-Hotspots als Gefahr per default
Bis auf die diskutable Verwendung von gehackt und des News-Teasings ist der restlichen Meldung wenig auszusetzen. Die Pressemeldung zur Studie ist ordentlich zusammengefasst und die Tipps der Studienmacher werden an das Radio-Publikum weitergegeben; gebe es nur nicht jenen Halbsatz: und sich nicht in einem öffentlichen WLAN einzuloggen.
Dumm gelaufen, dass 1LIVE keine weiteren Infos nannte, inwiefern öffentliche WLANs und Passwortsicherheit zusammenhängen. Noch dümmer gelaufen, dass die Website der Verbraucherzentrale nichts Zusammenhängendes über die Studie und die Gefahr durch offene WLANs publizierte.
Lediglich ein Archiv-Artikel schreibt über offene WLANs. Allerdings nicht als Warnung vor der Gefahr, sondern gibt Tipps zur sicheren Nutzung; zwei vollkommen unterschiedliche Herangehensweisen.
Neugierige Allgemeinheit vs. Fachpublikum
Die Meldung ist ein Paradebeispiel für das Dilemma zwischen Allgemeinheit und selbsternannten Experten. Den Ottonormalverbraucher aus diesem Lebensbereich auszuschließen, ist durchaus auch fatal. Sollte es nur einen Menschen geben, der durch die Meldung sein Passwort sicherer gestaltete, hat 1LIVE bereits einen Mehrwert geboten. Komplexe Themen werden im Sinne der Zugänglichkeit vereinfacht. Leider kürzt Vereinfachung an Stellen, wo Fachidioten gerne sagen: Es kommt darauf an. Worauf es ankommt, setzen sich Fachangebote auseinander. So lange darf der wütende Mob in seinen Löchern bleiben.
Hinweis: Der Kommentar ist im Rahmen einer Prüfungsabgabe für das Modul Textwerkstatt III des Studiengangs Online-Journalismus an der h_da im dritten Semester entstanden. Die Arbeit wurde mit der Note 1,3 bewertet, sodass ich guten Gewissens den Beitrag hier veröffentlichen kann.
© Leon Ebersmann