Fotografierter Smartphone Bildschirm mit den bekanntesten Social Media Apps.

Vorsätze gehören zu unserem stetigen Streben nach Selbstoptimierung. Dabei ist Januar der Monat der guten Vorsätze. Wobei … vielleicht ist es auch der Dezember in dem die Vorsätze gemacht und im Januar dann umgesetzt (und von Vielen auch wieder gebrochen) werden. Hier gibt es einige Evergreen-Vorsätze: Mehr Sport machen, wahlweise aufhören zu rauchen oder weniger Alkohol zu trinken oder beides oder oder oder.

Als Nicht-Raucher ist nicht-rauchen keine Umstellung für mich. Alkohol trinke ich seltenst und mehr Sport war keine Option für mich. Mit einem Abo für ein Fitness-Studio würde ich mich vor allem selbst belügen. Außerdem ist Sport an und für sich kein Thema für ein Technik-Magazin wie dieses.

Nach etwas Überlegen kam ich auf Social Media und wie viel Zeit ich online verbringe. Ich ertappte mich immer wieder dabei, dass ich abends vor dem Schlafengehen eigentlich nur fünf Minuten durch Instagram scrollen wollte. Tja, aus den fünf Minuten, werden 10 Minuten, werden 15 Minuten, wird eine halbe Stunde, wird eine Dreiviertelstunde. Morgens passiert das Gleiche. Zwar habe ich damit nie etwas vernachlässigt, aber die Zeit hätte ich auch mit Lesen verbringen können oder in noch mehr Radio-Sendungen stecken können. Wenn der Tag entsprechend voll mit To Do’s ist, vergesse ich Social Media auch mal komplett. Insgesamt schätze ich meine tägliche Social Media-Nutzung insgesamt auf allen Geräten auf etwas über zwei Stunden.

Am meisten nervte mich jedoch, was ich mir auf Social Media ansehe. Das sind Reels, die entweder Re-Uploads sind – in der Hoffnung ein paar Likes und Views abzustauben – oder Reels, die in der Produktion nur so lange dauern wie das Video selbst. Dabei habe ich einen anderen Anspruch an hochwertige Inhalte.

Zusätzlich interessierten mich Aussagen über Social Media, dass dort Oberflächlichkeit und Selbstdarstellung vorherrscht und die sogenannte Fear-Of-Missing-Out (kurz: FOMO, dt.: Die Angst, etwas zu verpassen), wenn man eine Auszeit wagt.

Um herauszufinden, ob das stimmt und, ob ich vielleicht schon abhängig von Social Media bin, gibt es nur einen Weg: Den knallharten Entzug. Das ist mein Selbstexperiment: Ein Monat ohne Social Media!

Eine Bestandsaufnahme

Was heißt: Ein Monat ohne Social Media? Klar, der Verzicht auf Online-Angebote, die als Social Media gelten. Allerdings nutzen wohl die wenigsten wirklich alle Social Media-Plattformen. Daher gibt’s nun eine Bestandsaufnahme, wo ich mich denn online herumtreibe.

Am meisten Zeit – gefühlt und gemessen – verbringe ich auf Instagram; aufgrund der schon erwähnten Reels. Durch Instagram bekomme ich einen Einblick in das Leben von Freunden, Bekannten, Studienkollegen und früheren Klassenkameraden; teils auch aus Grundschultagen. Relativ neu hinzugekommen ist Threads als Twitter- bzw. X-Konkurrent aus dem Hause Meta, dem Mutterkonzern von Facebook. Apropos Facebook: Auch wenn es das Klischee besagt, dass sich dort nur noch Boomer aufhalten, mich findet ihr da auch. Facebook benutze ich gerne als Forums-Plattform, z.B. bin ich Mitglied in Darmstadt-spezifischen Gruppen oder in Gruppen für IT-Fragen oder Gruppen für Produkte bestimmter Hersteller.

Dann bin ich noch bei Mastodon registriert, wobei das technisch nicht ganz richtig ist, denn Mastodon gehört zum sogenannten Fediverse. Eine tiefergehende Erklärung wäre eine eigene Sendung wert. Bei Twitter bzw. X bin ich zwar registriert und habe es früher echt gerne genutzt, doch X hat nicht erst seit Elon Musk seinen Reiz für mich verloren. Ebenso geht es mir mit XING. Dort gehe ich nur online, um die Beiträge für LinkedIn zweitzuverwerten. Wer weder XING noch LinkedIn kennt: Das sind soziale Netzwerke für den Beruf. Hier teilen Menschen weniger ihr Mittagessen, sondern eher was sie karrieremäßig erreicht haben.

Zusammengefasst heißt das: Tabu für den Zeitraum des Selbstexperiments sind Instagram, Threads, Twitter bzw. X, Facebook, das Mastodon-Netzwerk, XING und LinkedIn.

Wer mich kennt, weiß, dass ich noch zwei soziale Netzwerke mehr nutze: WhatsApp und Discord. Beide waren bewusst nicht Teil der Aufzählung; dazu gleich mehr.

Selbstexperiment: Das sind die Regeln

Die Regeln sind selbsterklärend: Einen Monat lang darf ich kein Social Media verwenden. Ein Monat sind in meinem Fall knapp 28 Tage. Von Neujahr darf ich erst wieder zum Fazit dieser Radio-Sendung – also am 28. Januar 2024 gegen 17:45 Uhr – auf Instagram, Threads, Twitter bzw. X, Facebook, dem Mastodon-Netzwerk, XING oder LinkedIn online gehen. Das Selbstexperiment gilt überall, denn bloß die Apps nicht zu öffnen, um dann auf den Browser oder den Computer wechseln, das ist schlichtweg Schummeln.

Ausgenommen von dem Selbstexperiment sind WhatsApp und Discord. Mit einem Verzicht darauf würde ich mein Privat-, Uni- und Berufsleben unnötig komplizierter machen – und das eben nicht nur für mich. Im Verein setzen wir vermehrt auf Discord, weshalb auch die Plattform für mich unverzichtbar geworden ist.

Die Wochen im Rückblick

Für mich startete das Abenteuer bereits am Silvesterabend. Während ich die Posts vorbereitete, die meine Social Media-Auszeit ankündigten, wurde mir erst richtig bewusst, worauf ich mich eingelassen habe. Insbesondere um die Jahreswende, wo sich alle gegenseitig einen guten Rutsch oder ein frohes neues Jahr wünschen, ist es eine besondere Zeit, um sich von einer Sekunde auf die nächste vollständig rauszuhalten. Ich dachte, dass ich gerade am Tag vor dem Experiment viel Zeit auf Social Media verbringen werde, doch durch meinen Job als Kamera-Kind für unseren Video-Stream zur Radio-Silvester-Party bin ich kaum dazu gekommen.

Die ersten – schätzungsweise – vier Tage des Selbstexperiments waren wohl die spannendsten für mich. Nicht, weil ich den Drang hatte, online gehen zu müssen, sondern weil ich bemerkte, wozu ich Social Media größtenteils nutze: als Zeitvertreib. Sei es die Zeit, die man auf den Bus wartet, während man dann im Bus sitzt und Musik hört oder, wenn man sich mit Freunden trifft und diese noch auf sich warten lassen. Teils passiert die Bewegung wie man zur App kommt – in meinem Fall zwei Mal wischen und zwei Mal in die rechte obere Ecke tippen – so automatisch, dass ich den Ordner mit den Social Media-Apps absichtlich an einen Platz verschoben habe, um nicht in Versuchung zu kommen.

Nachdem ich die erste Woche hinter mir hatte, wurde der Wille umso stärker es noch eine weitere Woche schaffen; und nochmal eine Woche und jetzt bin ich hier am Ende der vier Wochen ohne Social Media.

Dennoch verlief die Zeit mitnichten gradlinig aufsteigend. Klar, es gab die schönen erkenntnisreichen Momente, aber mindestens genauso viele Hürden, Fallstricke und Challenges zu meistern. Angefangen damit, dass Social Media zu meinem Studiengang Online-Journalismus einfach dazugehört. Noch schwieriger wurde es, weil wir in einem Kurs einen Instagram-Account mit journalistischen Inhalten bespielen sollen. Glücklicherweise ist eine Kommilitonin für’s Hochladen neuer Beiträge zuständig, doch kürzlich war eine Beitrags-Serie so zeitkritisch – nämlich die Aussagen bei einer Pressekonferenz -, dass ich es selbst veröffentlichen sollte.

Ebenfalls schwieriger gestaltete sich die Planung der gemeinsamen Sendung mit Jürgen Radestock namens Ganz schön queer. Viele Themen und potentielle Interview-Partner für die Sendung entdecke ich mittlerweile über Social Media. Übrigens, das machen nicht nur wir. Auch im öffentlich-rechtlichen Programm – insbesondere bei funk – wird je nach Format teils ausschließlich so gearbeitet. Zurück zu mir: Ich habe mir natürlich nicht die Kontaktdaten für die Interview-Anfragen vorab notiert. Als Kompromiss wollte ich den direkten Weg über instagram.com/NameDesProfils in einem privaten Fenster gehen. Allerdings konnte ich keine Instagram-Biografie mehr lesen ohne eingeloggt zu sein.

Apropos: Queer. Hier hat mir Social Media tatsächlich ein bisschen gefehlt, um mit der Community in Verbindung zu bleiben und, um zu erfahren, was denn derweil die wichtigsten Anliegen sind. Am wenigsten FOMO (engl.: Fear-Of-Missing-Out, dt.: Die Angst, etwas zu verpassen) hatte ich bei meinen Freunden. Hier bleib ich über andere Wege wie WhatsApp, Online-Konferenzen, Telefonieren oder persönliche Treffen immer auf dem Laufenden.

Im Verlauf des Experiments wurde mir irgendwann schlagartig bewusst wie viel Selbstdarstellung auch auf Social Media passiert. Fairerweise kann ich mich davon nicht ausnehmen. Logischerweise teile ich auf meinen Social Media-Accounts, was in meinem Leben passiert. So durfte ich vier Talk-Runden auf der diesjährigen hobit talks – eine zweitägige Online-Veranstaltung für Schülerinnen und Schüler – moderieren. Das wollte ich online teilen; ging nicht, sonst hätte ich das Experiment sofort verloren.

Fazit: Ein Monat ohne Social Media

Am Ende des Selbstexperiments stehen nun zwei Fragen.

  1. War das Experiment erfolgreich?
  2. Werde ich wieder zu Social Media zurückkehren?

Ich beantworte die Fragen der Reihe nach. Ja, das Experiment war ein voller Erfolg. Ich habe einiges über meine Social Media-Nutzung gelernt und auch menschlich hat es mich zumindest ein bisschen weitergebracht. Bei der Frage, ob ich es bis zum Ende ohne Social Media durchgezogen habe oder mal schwach wurde, muss ich mit einem Jein antworten. Wenn ich es davon abhängig mache, ob ich in den letzten 28 Tagen bei Social Media online war, dann bin ich gescheitert. Wenn es darum geht, dass ich Social Media in den letzten vier Wochen nie für eigennützige Zwecke geöffnet habe, dann habe ich es geschafft.

Jetzt die nächste Frage:

Werde ich wieder zu Social Media zurückkehren? Ja, absolut. Wer denkt, dass ich zu einem Anti-Social-Media-Moralapostel geworden bin, liegt falsch. Auch wenn ich Social Media in bestimmten Aspekten kritisiere, kann die Plattform nur bedingt etwas dafür.

Social Media ist auch das, was wir daraus machen. Wenn es mich stört, dass ich abends wie ein Zombie durch unzählige Reels scrolle, die meiner Meinung nach billigst produziert sind, dann kann ich das ändern, indem ich mir ein zeitliches Limit setze und/ oder mir andere Inhalte anschaue.

Ja, Social Media ist ein Ort der Selbstdarstellung. Ja, auf Social Media entspricht Vieles nicht der Realität oder ist nur ein minimalster Auszug aus dem Leben von Menschen. Das ist auch in Ordnung. Wichtig ist, dass wir uns immer dessen bewusst sind. Schließlich teilen es die wenigsten mit der ganzen Welt, wenn es ihnen so richtig schlecht geht. Manchmal soll Social Media vielleicht auch ein Ort der Zuflucht sein. So bin ich bspw. eher Fan von fröhlicher, aufheiternder Musik, wenn der Tag mal nicht so gut lief.

Mein Selbstexperiment Ein Monat ohne Social Media ist damit vorbei. Was ist mit dir? Nutzt du Social Media? Wie intensiv? Hast du auch mal eine Auszeit gewagt oder möchtest es nun versuchen? Ich bin neugierig auf deine Gedanken!

© Leon Ebersmann

Von Leon