Hering; nicht der langgestreckte, silbrige mit bis zu 45cm lange Fisch. Hering gehört zur Gemeinde Otzberg in Südhessen im Landkreis Darmstadt-Dieburg. Unter den knapp 950 Einwohner leben die 440.000 bis 550.000 Bienen von Imker Frank Werthmann.
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Auf einem Waldgrundstück leben dort elf seiner insgesamt 20 Bienenvölker, die unermüdlich arbeiten. Das Waldgrundstück ist so abgelegen, dass Frank, der normalerweise einen silberfarbenen 3er BMW fährt, Gefahr läuft, das tieferliegende rote Elektroauto vorzeitig abstellen und die restlichen Meter zu Fuß laufen zu müssen. Glücklicherweise wird die Gefahr nicht zur Realität, sodass er das Auto auf seinem Grundstück parken kann.
Während andere Kollegen in kurzer Hose und T-Shirt imkern, trägt er Arbeitskleidung. Diese besteht aus festem Schuhwerk, einer weißen Latzhose und dem bekannten Oberteil mit Hut und Netz rund um den Kopf. Noch schnell die drei Reißverschlüsse zuziehen, damit die Bienen nicht in das Oberteil hineinfliegen können, Handschuhe anziehen und los geht’s!
Der Zufall machte ihn zum Imker
Frank kam zufällig zu seinen Bienen. Vor über 15 Jahren kaufte er jenes Waldgrundstück inklusive entsprechendem Imkerequipment und zwei Bienenvölkern. Damals überschätze er sein Können, sodass die Bienen verendeten. Dennoch ist Frank überzeugt, dass bei ernsthaftem Interesse jeder das zeug zum Imker hat. YouTube-Videos als einzige Informationsquelle würden ihn nicht zufriedenstellen. Er suchte und fand die Expertise beim örtlichen Imkerverein; auch in Form einer Patin, die ihn bei seinen ersten Gehversuchen begleitet hat. Einziges K.O.-Kriterium sei eine Allergie, womit Bienenstiche zu einer tödlichen Gefahr werden können.
Neben seiner Imkertätigkeit engagiert sich Frank kommunalpolitisch und baut ein unter Denkmalschutz stehendes Bauernhaus im Odenwald aus.
Honig: Einjährige tierische und menschliche Arbeit
Verzehrfertiger Honig ist das Ergebnis einjähriger tierischer Arbeit. In den höchstens 45 Tagen, die Arbeiterinnen-Bienen alt werden können, legen sie viele – ja, sehr viele – Kilometer zurück. Im Bienenstock wird die Wabe verdeckelt. Frank vergleicht den Prozess und den Zweck der Verdeckelung mit einem Einmachglas. Die menschliche Arbeit beginnt dort, wo die tierische Arbeit geendet hat. Er entdeckelt die Waben, um sie zu schleudern. Der geschleuderte Honig fließt am Rand ab. Darauf folgt ein dreimaliger Filterprozess, um Festkörper wie Wachs herauszuholen. Ab diesem Punkt ist der Honig bereits verzehrfertig. Frank sammelt den Ertrag eines Standortes in 25 Liter Eimern. Er verrührt den Honig bis daraus eine perlmuttfarbige Masse wird. Damit ist der Honig abfüllfertig. In guten Jahren produziert ein Bienenvolk bis zu 30 Kilogramm Honig. Ende Mai und Ende Juli wird der Honig geerntet.
Honigernte: Behutsam und respektvoll, aber niemals ängstlich
Auf dem Waldgrundstück bei Hering ist es still und laut zugleich. Es ist so still, dass der Wind ohrenbetäubend durch die umliegenden Baumkronen zischt. Gemeinsam können die Bienen bei hoher Aktivität das Windrauschen übertönen. Wer die Bienen in Holzkisten erwartet, wird vergebens suchen. Bei Frank leben die Bienenvölker in grün bemalten, dreistöckigen Styroporzargen. In den unteren zwei Zargen lebt das Volk; der dort gelagerte Honig ist der Wintervorrat der Bienen. Frank geht zum ersten Bienenvolk. Zunächst wird der Backstein beiseitegelegt, der den Deckel auf der obersten Zarge beschwert. Der Deckel klebt, doch mit einem vorsichtigen Hebelstich an zwei Ecken stellt das kein Hindernis mehr dar.
Sobald auch die Folie abgenommen ist, ist erstmals ein Blick ins Innere des Bienenstocks möglich. Kleine Lebewesen, die fälschlicherweise als Wespe deklariert werden würden, fliegen umher; auch Frank entgegen. Die Rähmchen mit den mit Honig gefüllten Waben sind noch ein Gitter entfernt, das verhindert, dass die größere Bienenkönigin nach oben entflieht und somit das Ende des Bienenvolkes besiegelt. Frank entnimmt ein Rähmchen, begutachtet die wenigen gefüllten Waben und schiebt das Rähmchen von oben wieder in die Zarge hinein. Jetzt noch die eben gemachten Schritte in umgekehrter Reihenfolge durchführen: Gitter, Folie und Deckel auflegen und aufpassen, dass keine Biene zwischen Folie und Deckel eingeschlossen wird. Dann den Stein zum Beschweren auf den Deckel legen, weiter geht’s.
Zehn Bienenvölker stehen noch bevor, doch Frank ist schnell. Manchmal reicht ein diagonaler Blick von oben auf die Rähmchen, um festzustellen, wie es um den Honig und das Bienenvolk steht. Das sorgt für weniger Aufruhr im Bienenstock und verhindert, dass Bienen, die im falschen Moment unter dem einschiebenden Rähmchen sitzen, zerdrückt werden. Etwas, worüber sich Frank auch noch im späteren Interview ärgerte.
„Total perverse Entwicklung“: Artenreicher Honig aus der Stadt
Er bemerkt, dass seine Bienen weniger Nahrung in Form von Blüten finden können. Das resultiert in kleiner werdenden Mengen ertragenem Honig. Gründe hierfür sind das trockene Wetter als auch die finanziell angespannte Situation bei Landwirten, die nunmehr jeden Quadratmeter ihrer Acker bewirtschaften müssen. So kam es zu der total perverse[n] Entwicklung, wie man sie nicht erwartet hätte, dass mittlerweile die artenreichsten Honige aus urbanen Gegenden stammen. Hinzu kommt die für heimische Bienen unbekannte Gefahr der eingeschleppten Varroamilbe. Eins seiner Völker ist dieser Milbenart bereits zum Opfer gefallen. Hier gilt es Schadensbegrenzung betreiben, denn die Varroamilbe greift ebenso die Wabenstruktur in den Rähmchen und die Styroporzargen an.
Frank Werthmann: Honig ist „das Beste der Blüte“
Honig ist kein geschützter Begriff. Dennoch hat Frank Vorstellungen, was guten Honig auszeichnet. Für ihn ist Honig das Beste der Blüte [und] mit das gesündeste, das die Natur zu bieten hat. Bei ihm ist Honig ein Erzeugnis der Bienen ohne durch den Menschen zugeführte Zusatzstoffe. Label, wie das vom Deutschen Imkerbund e.V. bieten eine Orientierung. Darüber hinaus gibt es weitere Label, die den Honig nicht schlechter machen, doch jedes Label hat eigene Voraussetzungen.
Ein weiterer Indikator ist der Preis. Ein Pfund Honig für 2,90€ geht nur in Latein-Amerika mit anderen Lohnkosten. In seiner reinsten Form unterscheidet sich jeder Honig. Allein die Zarge, selbst das Rähmchen, aus der der Honig stammt, kann ihn anders aussehen und schmecken lassen; nicht nur der geografische Standort. Durch die Blüten von Esskastanien erhält Honig eine bittere Note. Somit ist der auf Kundenwunsch immer gleich in seiner Konsistenz, aussehende und schmeckende Honig im Supermarkt ein Verschnitt. Absolute Sicherheit über die Produktion und Qualität des Honigs bringen nur persönliche Kontakte zum Imker.
Fazit: Der Geschmack macht’s
Nichtsdestotrotz hebt Frank das wichtigste Kriterium hervor: Der Geschmack. Manche präferieren einen goldgelben zähflüssigen Honig, andere bevorzugen den dunkleren flüssigen Honig. Und wer beides mag? Kein Problem! Zwar haben Honige in Deutschland ein Mindesthaltbarkeitsdatum von zwei Jahren, doch auch noch weit darüber hinaus bleibt Honig genießbar.
Hinweis: Die Reportage ist im Rahmen einer Prüfungsabgabe für das Modul Textwerkstatt II des Studiengangs Online-Journalismus an der h_da im zweiten Semester entstanden.
© Leon Ebersmann