Das Magazin Royale ist eine Late-Night-Sendung um Host Jan Böhmermann mit regelmäßigem Sendetermin im ZDF am Freitagabend. Die Show ist vor allem dafür bekannt, dass politische oder zumindest gesellschaftlich relevante Themen eine halbe Stunde lang (investigativ-)satirisch aufbereitet werden.
Inhaltsverzeichnis
Die Vorgeschichte
Die Sendung vom 03. November 2023 trägt den Titel: Biene vs. Borkenkäfer – Image-Kampagnen im Tierreich. Die Essenz der Sendung ist, dass der Borkenkäfer fälschlicherweise als Todesurteil für Wälder dargestellt wird. Die bei uns vorkommenden Borkenkäfer-Arten ernähren sich von geschwächten Fichten, die aufgrund betriebener Monokultur nach Kriegsende in Deutschland nun weit verbreitet seien. Eigentlich helfe der Borkenkäfer, dass in und um tote Fichten neues, vielfältiges Waldleben entstehen kann. Somit habe der Borkenkäfer lediglich ein Imageproblem.
Demgegenüber stehe die Biene. Dass es ein Bienensterben gibt, ist bekannt. Allerdings beziehe sich das auf Wildbienen statt auf Honigbienen. Böhmermann kritisiert, dass Unternehmen mit Honigbienen sogenanntes Greenwashing betreiben – sprich: beewashing – und damit ihren Nachhaltigkeitsbericht verschönern würden. Möglich machen das Imker wie Rico Heinzig, die Bienenvölker vermieten. Im Magazin Royale werden Ausschnitte des Werbematerials von Heinzig’ “MyHONEY BIO-Imkerei GmbH & Co. KG” gezeigt.
Der Imker reagiert mit einem neuen Produkt namens beewashing HONEY und einem Werbeplakat. Dort heißt es “Führender Bienen- und Käferexperte empfiehlt:”, darunter ein Ausschnitt aus der Sendung, sodass Böhmermann mit dem rechten Zeigefinger auf ein übergroßes Glas beewashing HONEY zeigt.
Das rechtliche Dilemma
MyHONEY bzw. den Geschäftsführer erreichte ein auf den 27. November 2023 datiertes Schreiben von Rechtsanwalt Dr. Torben Düsing (Preu Bohlig); dem Rechtsbeistand Jan Böhmermanns. Demnach habe Rico Heinzig mit der unerlaubten Verwendung des Namens Jan Böhmermann und seines Bildes als Werbung für den beewashing-Honig gegen das Namensrecht (§ 12 BGB) und das Kunsturhebergesetz (§ 22, § 23 KunstUrhG) verstoßen.
Laut WBS.LEGAL, denen das Anwaltsschreiben vorliegt, wurde er demzufolge einerseits aufgefordert, die Anwaltskosten in Höhe von 1300 Euro zu übernehmen und eine Unterlassungserklärung abzugeben.
Der Imker weigerte sich, sodass der Fall nun auch die deutschen Gerichte beschäftigte. Diese mussten urteilen, welches Recht im konkreten Fall höher zu gewichten ist: Böhmermanns Allgemeines Persönlichkeitsrecht oder die Meinungsäußerungs- und Kunstfreiheit seitens Heinzig.
So urteilte das Gericht
Der Unterlassungsantrag landete beim Landgericht Dresden und Richterin Heike Kremz. Der Fall mit dem Aktenzeichen Az. EV 302529/23 wurde am Dienstag, 16. Januar 2024 in erster Instanz verhandelt. Die Krux für Richterin und den Rechtsbeistand beider Parteien ist, dass es bislang kein Urteil vom Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem ähnlichen Fall gibt, das Orientierung bieten könnte.
Zwar erwähnte Richterin Heike Kremz den erfolglosen Versuch vor dem Oberlandesgericht (OLG) Dresden des GDL-Vorsitzenden Claus Weselsky, mit dessen Bild und Beschriftung „Mitarbeiter des Monats“ der Autovermieter Sixt Werbung machte. Allerdings sei das nicht vergleichbar mit Böhmermanns einzigartigem Sendugskonzept der Investigativsatire und der Reaktion eines Imkers, der ungefragt ohne Möglichkeit einer Richtigstellung im Fernsehen einem Millionenpublikum präsentiert wurde und darauf mit werbender Gegensatire zu seiner Rehabilitierung reagierte.
Der vom Gericht vorgeschlagene Vergleich, dass Heinzig die Werbekampagne sofort beendet und Böhmermann keinerlei Ansprüche gegenüber MyHONEY erhebt und über die ZDF Magazin Royale Sendung Biene vs. Borkenkäfer gemeinsam diskutiert wird (Löschung einzelner Sequenzen oder der ganzen Sendung) wurde beidseitig abgelehnt.
Ein weiterer Begriff, um den gerichtlich gestritten wurde, hieß Image-Transfer: Ist die Werbung für beewashing zweifelsfrei als Satire erkennbar oder erweckt die Kampagne den Eindruck, Böhmermann würde tatsächlich den Honig bewerben?
Am 08. Februar 2024 verkündete das Landgericht Dresden das Urteil Urt. v. 08.02.2024, Az. EV 3 O 2529/23t. Demnach stehen Böhmermanns Persönlichkeitsrechte nicht über der Meinungsäußerungs- und Kunstfreiheit seitens Rico Heinzig. Somit folgte das Gericht der Argumentation des Imkers und seines Anwalts Dr. Markus Hoffmann (Lippert Stachow). Schon bei der Verhandlung im Januar soll Richterin Kremz gesagt haben: „Natürlich ist Jan Böhmermann kein führender Bienen- und Käferexperte“. Somit finde kein Image-Transfer statt. Auf dem Glas von beewashing ist ein QR-Code abgedruckt, der zu einer erklärenden Website führt und im Webshop heißt es „Der Honig zur Sendung“.
Auch die Abbildung Böhmermanns ist rechtens. Das Gericht begründet diese Entscheidung mit den möglichen Ausnahmen in § 23 KunstUrhG. Dort heißt es: „Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden: Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte“. Das Gericht sortiert die TV-Ausstrahlung und den daraus erstellten Ausschnitt als zeitgeschichtliches Ereignis ein.
Dr. Torben Düsing kündigte noch am selben Tag an, dass sein Mandant in Berufung gehen werde: „Das rechtwidrige Angebot von Waren zum Zweck der unternehmerischen Gewinnmaximierung ist keine Satire. In der Sache ‚Satire gegen Wirtschaft‘ geht die Satire natürlich in Berufung“. Damit geht es beim Oberlandesgericht Dresden weiter. Im Eilverfahren sei das für Böhmermann die letzte Stufe; ein Hauptsacheverfahren reicht bis zum BGH, doch das kann Jahre dauern.
Fazit
Für unbeteiligte Dritte ist die rechtliche Ebene eigentlich nebensächlich. Vielmehr bin ich von Böhmermanns Verhalten enttäuscht. Obwohl er schon mehrfacher Vater ist, gleicht er hier einem schmollenden Kind, das es eigentlich besser weiß.
Aber der Reihe nach: Schmollend, weil er in jeder Magazin Royale-Sendung Unternehmen, NGOs, Parteien, A-Z Promis oder Privatpersonen wie Rico Heinzig durch den Kakao zieht, aber es wohl selbst nicht ertragen kann, wenn seine satirische Kritik zu neuer satirischer Kritik gegen die ursprüngliche satirische Kritik führt. Das Bild des schmollenden Kindes trifft ferner zu, weil Böhmermann es augenscheinlich nicht ertragen kann, mit dem eindeutigen Urteil des Landgerichts Dresden eine Niederlage einzustecken.
Ich habe Böhmermann intelligenter eingeschätzt. Er hätte wissen müssen, dass die geforderte Unterlassungsforderung, die zu einer gescheiterten Unterlassungsklage wurde, definitiv keine Sache zwischen ihm und Rico Heinzig bleiben wird. Somit müsste der hauptberufliche Imker und nebenberufliche Satiriker Heinzig dem hauptberuflichen Satiriker und nebenberuflichen Kläger Böhmermann fast schon danken, denn ohne Böhmermanns-Klage hätte es die beste Werbekampagne für beewashing nie gegeben. Damit meine ich nicht das Plakat, das war Heinzig‘ Leistung.
Böhmermanns aktive Klagefreudigkeit kommt mit einem bitteren Beigeschmack, hat er doch in der Magazin Royale-Sendung Cancel Culture – Mit Klagen canceln: Angriff auf die Pressefreiheit die Praktik sogenannter SLAPP-Klagen (Strategic Lawsuit Against Public Participation) scharf kritisiert. Diese Sendung wurde am 24. November 2023 ausgestrahlt; drei Tage vor dem Aufsetzen des anwaltlichen Schreibens. Ein Schelm, der dabei an Doppelmoral denkt. Übrigens, im Webshop von MyHONEY gibt es auch dazu den passenden Honig: Cancel Culture mit juristisch einwandfreiem Etikett.
Deswegen lautet die eigentliche Frage: Was darf Satire? Und, was wird Satire noch dürfen, wenn sie die Menschen kritisiert, die sonst die Satire machen? Ich hoffe und bin gleichermaßen zuversichtlich, dass weder das Oberlandesgericht Dresden noch letztinstanzlich der Bundesgerichtshof diesbezüglich differenzieren.
Hinweis: Der Beitrag ist im Rahmen einer Prüfungsabgabe für das Modul „Medienrecht“ des Studiengangs Online-Journalismus an der h_da im dritten Semester entstanden.
© Leon Ebersmann