Freiwilliges Soziales Jahr (kurz: FSJ); woran denkst du? Vielleicht an Kindergärten oder Grundschulen mit Nachmittagsbetreuung? Alten- und Pflegeheime? Aber wusstest du, dass ein FSJ bei einem Radiosender möglich ist? Ich habe mein FSJ-Kultur bei RadaR e.V. | Radio Darmstadt gemacht und das kannst du auch!

Warum hast du dich für ein FSJ-Kultur bei Radio Darmstadt entschieden?

Spätestens seit der Oberstufe (konkret: 10. Klasse) wusste ich, wie mein Werdegang nach der Schule aussehen soll. Ich möchte Journalismus studieren. Die Möglichkeit eines freiwilligen sozialen Jahres kannte ich auch. Allerdings habe ich erst wesentlich später ein FSJ für mich selbst in Betracht gezogen; nämlich als ich mich ausführlicher mit den FSJler:innen meiner zukünftigen Einsatzstelle unterhalten konnte.

Von allen früheren und folgenden FSJler:innen unterscheidet mich, dass ich bereits seit Ende 2018 Vereinsmitglied bei RadaR e.V. | Radio Darmstadt bin. Somit kenne ich die Bewerbungssituation nur aus den nachfolgenden Jahren. Im Februar (2021) war den Verantwortlichen im Verein und mir klar, dass ich mein FSJ-Kultur 2021/ 2022 bei RadaR e.V. | Radio Darmstadt absolvieren werde.

Mit einem FSJ in einer mir bekannten Einsatzstelle wollte ich das freiwillige soziale Jahr nicht etwa besonders chillig angehen; im Gegenteil. Ich wollte endlich die Zeit für Sendungsideen aufwenden, die ich parallel zur Schule, Familie, Freunden und weiteren Hobbies nicht hatte. Ob der Plan aufgegangen ist; dazu später mehr.

Was waren deine Highlights?

Zu jedem FSJ-Kultur gehört ein FSJ-Projekt. Was als solches Projekt durchgeht, sprechen die FSJler:innen mit den Verantwortlichen in ihrer Einsatzstelle ab. Üblicherweise war das FSJ-Projekt bei RadaR e.V. | Radio Darmstadt die eigene, regelmäßige Sendereihe. Vor dem Hintergrund, dass ich schon seit Jahren eine eigene Show produzierte, hatte ich Lust auf mehr.

Mein FSJ-Projekt: 31 Stunden Sendemarathon

Wie passend also, dass sich in meinem FSJ das Dauersendejubiläum zum 25. Mal jährte. Das heißt, dass Radio Darmstadt seit 01. Februar 1997 ohne Unterbrechung auf Sendung ist. Das Jubiläum wollte ich On-Air feiern. Ursprüngliche Idee war, dass wir den ganzen Tag lang – also von Dienstag, 01. Februar 00:00 Uhr bis Mittwoch, 02. Februar 00:00 Uhr – entgegen unserem eigentlichen Schema mit Wiederholungen des Vortags ausschließlich neues Programm senden. Zu meiner Freude war die Beteiligung so groß, dass wir die Radio-Party am Montagnachmittag (31. Januar) starteten und bis in die Mittwochmorgenstunden sendeten. Meine Aufgabe war die Koordination der Programmplätze.

YoungPOWER und mein Technik-Magazin radio.exe

Neben der Programmorganisation wollte ich zu diesem besonderen Anlass ebenso eigenes Programm gestalten. Mir war es besonders wichtig, dass die Jugendschiene YoungPOWER und mein Technik-Magazin radio.exe im Jubiläumsprogramm auftauchen. Am Nachmittag sendeten wir als junges Kollektiv bei YoungPOWER. Für die Sondersendung von radio.exe plante ich ursprünglich das Medium „Radio“ genauer zu beleuchten, denn vor wenigen Wochen eröffnete in Frankfurt im Museum für Kommunikation die Sonderausstellung „On Air. 100 Jahre Radio“. Allerdings war ich durch den Alltag, die allgemeinen Vorbereitungen für das Jubiläum und die Interviews für YoungPOWER zeitlich so ausgelastet, dass mein Technik-Magazin zurückstecken musste.

Plan B war, dass ich radio.exe zu einem Phone-In-Format machte, das heißt: Menschen können unsere Studio-Hotline wählen und ich spreche mit ihnen über technische Themen. Im konkreten Fall wollte ich über Projekte sprechen, die auch Anfänger mit dem Einplatinencomputer Raspberry Pi umsetzen können. Eigentlich wollte ich den Inhaber eines Online-Forums lediglich fragen, ob ich dort auf mein Vorhaben aufmerksam machen darf. Doch ihm gefiel meine Idee wohl so gut, dass er sich kurzerhand selbst als Gesprächspartner angeboten hat.

So kam es, dass ich mit Dennis Schröder, der auf YouTube und Twitch als RPICloud aktiv ist, in der Sendung zu Gast hatte. Das Besondere an dem Interview war, dass Dennis das Gespräch live auf seinen Twitch-Kanal übertragen hatte. Das erhöhte Interesse an unserer Website und unserem Web-Stream bemerkten wir, als beides aufgrund zu vieler gleichzeitiger Zugriffe gnadenlos in die Knie ging. Mein Technik-Kollege konnte den Internetstream zügig wieder lauffähig machen und schrieb in einer späteren E-Mail: „Schön dass unser 25 jähriges auch an mir nicht spurlos vorbei geht, jetzt hab ich auch mal nen Teil dazu beigetragen *grins*

Das 25-jährige Dauersendejubiläum war mein On-Air-Highlight, doch ein FSJ-Kultur besteht mitnichten nur aus der Arbeit in der Einsatzstelle. Hinzu kommen die verpflichtenden Bildungstage sowie vier einwöchige (montags bis freitags) Seminare. Wer darüber hinwegsehen kann, dass auf solchen Seminaren auch „Beschäftigungsmaßnahmen für Erwachsene“ – die typischen Kennenlernspiele eben – passieren, sind die Seminare eine echt schöne Zeit mit Menschen, die in der gleichen Situation wie man selbst stecken. Unser Abschlussseminar war in Kassel während der documenta-Ausstellung.

So habe ich mich (unabsichtlich) auf ein anderes Seminar geschmuggelt.

Mein Seminar-Highlight geschah schon vor dem ersten Seminar bzw. auf dem Weg dorthin. Mit der Aktion war ich dann auch in meiner Gruppe bekannt wie ein bunter Hund. Meine Reise nach Höchst startete am Darmstädter Hauptbahnhof; der Zug war schon eingefahren, also trat in ein. Dabei hörte ich wie eine Gruppe Menschen über FSJ und Seminarsprach. Ich setzte mich zu der Gruppe und wir begrüßten uns. Fragt mich nicht wie es passieren konnte, aber weder ich noch mein Umfeld haben die über den Tag hinweg vorhandenen „Warnzeichen“ gerafft und so war ich einen Nachmittag lang beim Seminar eines anderen FSJ-Trägers; der EVIM. Falls du dich fragst, wie schnell Flurfunk sein kann: Weit unter fünf Minuten.

War dein FSJ-Kultur nur Friede-Freude-Eierkuchen?

Im Gespräch mit meinen FSJ-Kolleg:innen ist mir nochmals bewusster geworden, wie gut es mich mit meinem FSJ bei RadaR e.V. | Radio Darmstadt erwischt hat. Angefangen bei dem Ticket für den ÖPNV (damals noch SchülerTicket Hessen), das mir vollständig erstattet wurde während andere FSJler:innen nur ein räumlich begrenztes Job-Ticket erhalten haben. Auch durfte ich mitreden, wie ich meine Arbeitszeit gestalte: Mittwochs hatte ich frei, weil ich durch den Sendetermin von YoungPOWER (samstags, 17:00 Uhr bis 19:00 Uhr) stattdessen am Samstag arbeitete.

Leider lag meine FSJ-Zeit inmitten der Corona-Pandemie, weshalb es mir vom Verein freigestellt wurde, ob ich tageweise ins HomeOffice gehen möchte, was ich ablehnte, weil ich zu Hause nicht im Ansatz die Audio-Qualität bieten könnte, die mir die Sendestudios bereitstellen.

Bis auf einen Kleinstvorfall, hat es auch mit allen weiteren Vereinsmitgliedern harmoniert. Selbst heute noch in meiner ehrenamtlichen Vereinstätigkeit schätze ich das Vertrauen und die mir zugetraute Kompetenz. Auf meinen Vorschlag hin, gibt es seitdem bei RadaR e.V. | Radio Darmstadt ein FSJ-Duo. Grund hierfür war, dass ich meiner Nachfolge nicht die Arbeit zumuten wollte, die ich gemacht habe.

Ich wusste bereits von Anfang an, wie der Verein tickt, wie die Sendetechnik funktioniert und wie ich an die Redaktion sowie Produktion einer Sendung gehe. Auch habe ich aus persönlichem Wille ein Projekt fertigzustellen absolut freiwillig (!!!) einige Überstunden gemacht oder so manche Urlaubstage nie genommen. Ich habe es mir damit gerechtfertigt, dass ich statt eines 6-wöchigen Vorpraktikums für mein Studium mir das FSJ anrechnen lassen kann. Allerdings möchte ich von mir nicht auf andere schließen, sodass eine zweite FSJ-Stelle mein dringender Appell war.

Alles in allem: Hat es sich gelohnt?

Teils, teils. Finanziell gesehen, hat es sich nicht gelohnt. Allerdings leb(t)e ich zu Hause bei meiner Mutter, sodass ich das verdiente Taschengeld (380€/ mtl.) größtenteils zurücklegen konnte.

Zwischenmenschlich hat sich das FSJ-Kultur zweifelsohne gelohnt. In meinem FSJ sind die meiner Meinung nach besten Sendungen meines Technik-Magazins radio.exe entstanden. Durch mein FSJ wurde ich mir sicher, dass das, was ich machen möchte, der richtige Weg für mich ist.

Das FSJ hat mich selbstbewusster gemacht. Vor dem Griff zum Telefon oder einer Interview-Anfrage über E-Mail habe ich absolut keine Angst mehr. Es klingt erstmal banal, aber das ist ein Softskill, den ich einigen meiner Kommiliton:innen (ich sage lieber: Studienkolleg:innen) spürbar voraus hatte, als wir uns im Studium erstmals ein Interview zu einem vorgegeben Thema organisieren sollten.

Während meiner FSJ-Zeit ist mein berufliches Netzwerk gewachsen, das für Journalist:innen wichtig ist. Hier sind Kontakte entstanden, die mich zum Ausbildungsradio LUX Radio und meiner späteren Praktikumsstelle; das Medienhaus der EKHN; brachten. In meinem FSJ hatte ich die zeitlichen Kapazitäten, um an dem Mentoringprogramm der Jugendpresse Deutschland teilzunehmen, was mich durch meinen Mentor zu den Radiotagen nach Tutzing brachte und mir einen ersten Schritt in die Türen der öffentlich-rechtlichen Radiosender ermöglichte.

Und danach? Was machst du jetzt?

Mittlerweile stecke ich in der zweiten Hälfte meines Studiums. Ich studiere Online-Journalismus an der Hochschule Darmstadt (h_da) am Dieburger Mediencampus. Zusätzlich bin ich dem Verein als aktives Mitglied erhalten geblieben; wie auch bislang all meine Nachfolger:innen. Ich produziere mein Technik-Magazin radio.exe und Endlich 18! im Wechsel und co-moderiere gemeinsam mit Jürgen Radestock unser Queer-Magazin Ganz schön queer. Nach meinem FSJ-Kultur folgte der Übergang ins Technik-Team des Senders und seit November vergangenen Jahres (2023) bin ich eines von sieben Vorstandsmitgliedern.

tl;dr

Dank meiner Familie hatte ich die finanzielle Freiheit und damit die Chance ein FSJ-Kultur bei RadaR e.V. | Radio Darmstadt machen zu dürfen. Wenn du überlegst, nach der Schule in den Journalismus zu gehen oder gar schon konkrete Pläne diesbezüglich hast, dann solltest du über ein FSJ bei einem Radiosender definitiv nachdenken.

© Leon Ebersmann

Von Leon